4. August 2025

Als eine Schweizerin den allerersten Porsche kaufte

Mit dem 356 begann für das Unternehmen Porsche im Jahre 1948 eine unvergleichliche Erfolgstory. Weil die Bomben des Zweiten Weltkrieges deutsche Fabriken bedrohten, entwickelte und produzierte Ferry Porsche seine Autos zu Beginn in Österreich. Verkauft wurden die ersten Exemplare des 356 jedoch in der Schweiz. Mehr noch: Ein Schweizer ermöglichte erst dessen Produktion.

Wer Porsche hört, dem kommen meist drei Zahlen in den Sinn: 911. Seit mittlerweile acht Generationen – die Premiere war 1963 – steht der ‹Neunelfer› für den Inbegriff des deutschen Sportwagens. Doch bevor der Neunelfer die Welt verzaubern durfte, ebneten drei andere Zahlen Porsche den Weg zum Erfolg: 356 – der Porsche, mit dem alles begann.

Wie der erste Porsche in Österreich entstand

Der Porsche 356 war das erste Serienmodell von Porsche. Entstanden ist er untypischerweise nicht im stuttgartischen Zuffenhausen, wo Porsche seit 1937 zuhause ist. Sondern in einem ehemaligen Sägewerk in Gmünd in Kärnten, in Österreich. Der Zweite Weltkrieg zwang Unternehmer Ferry Porsche, Sohn des Porsche-Gründers Ferdinand Porsche, zum Umdenken. Auf dem Lande in Österreich war die Produktion sicherer als im städtischen Stuttgart, das während des Krieges immer häufiger von Bombenangriffen bedroht wurde. So entwickelte Porsche im Juni 1948 den Prototyp in eben dieser kleinen Gemeinde mitten in Österreich. Um dann den Porsche 356 in vorerst äusserst limitierter Auflage von rund 50 Exemplaren zu bauen. In Handarbeit. Mit Aluminium-Carrosserie.
Zwei Jahre später gings zurück nach Stuttgart-Zuffenhausen. Nun nahm die Produktion so richtig Schwung auf. Bis 1965 fertigte Porsche in verschiedenen Ausführungen um die 76'000 Fahrzeuge des 356 – die meisten davon waren Coupés, die Version Cabriolet war etwas seltener. An der Arosa ClassicCar zeigen sich beide Varianten.

Die Schweiz und Porsche – eine frühe Liebesgeschichte

Der Porsche 356 legte den Grundstein zu dem, was Porsche heute zu einem der erfolgreichsten deutschen Unternehmen macht – mit über 40'000 Mitarbeitenden und 40 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr. Damals, in den 1940er Jahren, war das alles noch deutlich bescheidener. Kaum einer hätte die Erfolgsgeschichte damals erahnt. Eine Erfolgsgeschichte, die es ohne Schweizerinnen und Schweizer vielleicht so nie gegeben hätte. Die Schweiz und Porsche – das ist eine Liebesgeschichte, die schon bald nach dem ersten 356 ihren Lauf nahm. Bereits 1948 gabs in Zürich den ersten Porsche-Showroom.
Zudem war es ein Schweizer Unternehmer, Rupprecht von Senger, der die ersten fünf Modelle des 356 vorbestellte und Porsche so den Produktionsstart erleichterte. Mehr noch: von Senger unterstützte Ferry Porsche neben einem finanziellen Vorschuss auch mit Materialien wie Alublechen, um so die Fertigung des ersten Porsches zu ermöglichen. Und auch der erste Porsche-Käufer – in diesem Fall eine Käuferin – war eine Schweizerin: die Zürcherin Jolantha Maria Tschudi kaufte 1948 den ersten Porsche 356 für 15'000 Franken – damals ein riesiger Betrag.

Der Qualität einen Schritt voraus

In Arosa zeigen sich drei Porsche 356. Unter anderem fährt Claudia Halter im weissen Coupé mit den zwei roten Streifen, Massimo Wild steuert den schwarzen Roadster. Wir nehmen Platz im weissen Coupé von 1965 mit den roten Leder-Sitzen. Und fühlen uns sofort in der Zeit zurückversetzt. Wie anmutig das alles aussieht, wie wunderbar erhalten und hochwertig das Interieur daherkommt, wie aufgeräumt sich die Instrumentenübersicht präsentiert, das edle hölzerne Lenkrad. Die Qualität, die Porsche damals bereits lieferte – beeindruckend. «Wenn man sieht, wie lange die Autos durchhalten und wie gepflegt sind heute noch sind, quasi fast so aussuchen wie bei der Auslieferung damals, dann ist das schon eine Goldmedaille wert», erzählt Claudia Halter. Smooth gleiten wir im Porsche 365 durch die Aroser Berglandschaft. Die Federung ist äusserst angenehm, die 120 PS reichen für sportliches Fahren, das Kurvenfeeling ein Traum. Ist dieses Auto wirklich 60 Jahre alt? «Ich war noch nicht geboren als der Wagen ausgeliefert wurde. Vielleicht wollte sich Porsche da etwas abheben mit diesem Auto, man wollte gute Arbeit abliefern», so Halter.
Musik braucht man in diesem Coupé eigentlich keine, der sonore Vierzylinder-Motor ist Sound genug. Doch kann man sich gut vorstellen, was für Musik damals, im Jahre 1965, aus den Lautsprechern tönte. Vielleicht ‹I can’t get no satisfaction› von den Rolling Stones. Vielleicht ‹Baby you can drive my car› von den Beatles. Beides Top-Hits. Beide passend.

«Entweder liegt dir das Auto oder nicht – es ist auch für heutige Verhältnisse sehr sportlich»

Wie der Roadster von Massimo Wild war auch der Porsche von Jolantha Maria Tschudi damals im Jahre 1948 ein Cabriolet. Und auch dieses hat einen starken Schweizer Bezug. Die in Thun heimischen Gebrüder Beutler fertigten damals die Karosserie für die allersten Porsche 356 Cabriolets. «Das Äusserliche ist es, was dir zuerst auffällt. Diese Form ist gelungen. Wie so oft sind die ersten Serien oft schöner als die folgenden. Das ist auch beim 356 so», erzählt Massimo Wild, «dieses Auto ist sehr emotional. Man sieht, wie die Leute lächeln, einem zuwinken – er weckt Sympathien. Und diese Sympathie hat er natürlich auch bei mir geweckt.» Das Innenleben ist viel einfacher als dasjenige der heutigen Fahrzeuge. Kein Schnick-Schnack. Keine Elektronik. Eine Sitzposition. «Entweder liegt dir das Auto oder nicht – es ist sehr handlich, sehr sportlich, auch heutzutage noch», bringt es Massimo Wild auf den Punkt. Und wenn es dir liegt, dann muss es eine pure Freude sein. «Der Puls geht jedes Mal ein paar Schläge die Minute hoch, wenn ich mich hinters Steuer sitzen darf», verrät Claudia Halter, «das tiefe Sitzgefühl, das alte Leder, der Benzingeruch – das ist alles schon sehr speziell.»

Das perfekte Auto für den Alltag

Anders als andere Sportwagen aus den 1950ern oder 1960ern, die immer mal wieder die Werkstatt aufsuchen müssen, besticht der Porsche 356 durch seine Alltagstauglichkeit. Klein aber fein passt er überall rein. «Damit fahre ich zur Arbeit und auch sonst im Alltag. Das geht schneller mit dem Dach runter und wieder hochfahren wie bei jedem modernen Auto. Er hat keine Macken, ist zuverlässig und macht auch mit 64 Jahren noch richtig Spass – ich bin noch nie stehengeblieben», sagt Massimo Wild.

Arosa, das jährliche Treffen seltener Porsche

Wer ihn dann aber doch irgendwo mal stehen sieht – zum Bespiel im Fahrerlager anlässlich der Arosa ClassicCar – der betrachte die beiden runden Scheinwerfer und die schwungvolle Frontpartie mit den unverkennbaren Kotflügeln. Die Form des weltberühmten Neunelfers zeigt sich bereits beim 356.
Wer hätte gedacht, dass aus dem ersten Prototyp, fernab der grossen Welt im ländlichen Österreich in einem alten Sägewerk entworfen, einst einer der beliebtesten und meistverkaufen Sportwagen der Welt hervorgehen würde. Und wer hätte gedacht, dass in einem kleinen Bergdorf in der Schweiz, nur auf dem Landweg von Chur über 365 Kurven erreichbar, sich einst an einem Bergrennen eine ganze Palette dieser seltenen Porsches misst? Willkommen an der Arosa ClassicCar.  

Autorenschaft
Simon Huwiler
Zum Profil

Simon Huwiler studierte an der Hochschule für Wirtschaft Luzern (HSLU) Betriebsökonomie mit Vertiefung Kommunikation und Marketing und am Medienausbildungszentrum in Luzern (MAZ) Journalismus. Mit seiner Kommunikationsagentur Kurkuma Communication (kurcom.ch) ist er für verschiedene Unternehmen in den Bereichen Kommunikation, Social Media und Marketing tätig. Zudem unterstützt Simon seine Kunden seit vielen Jahren auch visuell in der Kommunikation – als Fotograf (simonhuwiler.com).


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